Anlass. Die moderne Stadtplanung schafft übersichtliche Räume, in denen alle Bewegungen kontrollierbar werden. Nichts Unvorhersehbares soll den Frieden der spätkapitalistischen Gesellschaft stören. Am besten beseitigt man Irritationen noch bevor sie überhaupt auftreten – private und polizeiliche Videokameras überwachen deshalb die Straßen und Plätze. Einen Schritt weiter sind sie dort, wo öffentliche Räume in Privateigentum umgewandelt werden. Was zu stören droht, wird bereits ausge schlossen, bevor es eintreten kann: Die Besitzer befinden mit ihrem Hausrecht darüber, wer Zugang hat und wer nicht. All diese Maßnahmen schränken die Bewegungsfreiheit ein. Abweichende Gesten, in denen sich der Wunsch nach anderen Aneignung des Raums realisiert, sollen nicht erscheinen. Eine Zukunft der Bewegungen muß in diesem stabilem Universum kapitalistischer Ökonomie nicht prognostiziert werden: alles soll so bleiben wie es ist. Wenn nichts dazwischen kommt.
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Gegenwehr. Gelegentlich unterbrechen Demonstrationen die alltägliche Normalität und zeigen, dass die Straße auch anders genutzt werden kann. Polizeikräfte werden mobilisiert, damit die Routine nicht zu sehr gestört wird. Und das Unbewusste des Raums und der Körper, die abweichenden Gesten und Wünsche, die weder käuflich noch verkäuflich sind, bleiben ausgeschlossen. Die Eigentumsfrage darf nicht gestellt werden. Damit alles so bleibt wie es ist, arbeitet man dieser Tage in Bayern an einem neuen Versammlungsgesetz, das die Bewegungsfreiheit von Demonstrationen, ihr Auftreten und ihre Rechte deutlich einschränkt. Eine Frage der Zeit, wann die anderen Bundesländer es übernehmen. Wenn nichts dazwischen kommt.
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Repression. Ohnehin haben in den letzten Jahren Repression und Auflagen insbesondere gegen linksradikale Versammlungen bizarre Formen angenommen – zuletzt wurde sogar verboten, außerhalb der Demo auf dem Bürgersteig zu gehen. Als Legitimation für die immer martialischeren Maßnahmen dienen der Polizei ihre Gefahrenprognosen. Es reicht, vorauszusagen, dass eine Demonstration die öffentliche Ordnung gefährdet, um eine Aussetzung der Versammlunsgfreiheit zu begründen. Das Ideal dieser Maßnahmen ist der vollkommene Einschluss der Demonstration in einen wandernden Polizeikessel. Versammlungsfreiheit gibt es nur noch in Polizeigewahrsam. Wie der Verlauf einer Demonstration aussieht, entscheiden nicht mehr ihre TeilnehmerInnen, sondern die Polizei. Unbekannt bleibt, wie ihre Zukunft ohne diese Maßnahmen ausgesehen hätte. Die Demonstrationser müde ten ent wickelten neue Formate – wie Flashmob, fünf Finger oder out of control – um ihre Bewegungs freiheit zu retten. Perspektivisch verschwindet so die Demonstration aus der Praxis politischer Bewegungen. Wenn nichts dazwischen kommt.
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Demonstration. Eine Demonstration versammelt eine Menge Menschen für eine Zeit an einem Ort unter einer politischen Forderung. Die Freiheit dieser Versammlungen ist gefährdet. Deshalb muß die Demonstration selbst auf den Prüfstand. Warum zählt nur die Masse und nicht die Qualität ihrer Bewegung? Welche Zukunft bereitet die Straße der Demonstration? Wie lassen sich die Bewegungen befreien? LIGNA lädt zu einer Demonstration ein, einer Testreihe für andere Bewegungsformen: Diese Demonstration kommt dazwischen – und versucht damit die Zukunft politischer Bewegungen zu prognostizieren.
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Ihr seid Sterne! Während der Demonstration wird eine Radiosendung ausgestrahlt, mit der die unendlichen Möglichkeiten der Bewegung erkundet werden können. Das Radio begleitet die Demon stration und schlägt verschiedene Gesten und Tests vor – was auf der Straße geschieht hängt von jeder einzelnen HörerIn und ihren Handlungen ab. Das Radio motiviert Bewegungen, kontrolliert sie jedoch nicht. Versammelt im urbanen Kosmos bleiben die HörerInnen doch unkontrollierbar zerstreut. Wie die Sterne am Himmel bilden sie Konstellationen, die durch keine Polizeiprognose vorwegnommen werden können. Ihre flüchtige Bedeutung und ihre Effekte müssen praktisch erkundet werden. Die HörerInnen sind durch das Radio assoziiert und können frei assoziieren. Die Effekte ihrer Bewegungen kommen aus einer unbekannten Zukunft. Das Radio verwandelt die Demonstration in eine einzigartige Konstellation mit prognostischen Qualitäten – für die Zukunft politischer Bewegungen!
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Für die Zukunft der Bewegungsfreiheit! Erobert die proletarische Öffentlichkeit der Straße durch unkontrollierbare Bewegungen! Gegen die Kontrollierung, Privatisierung und Kommerzialisierung öffentlicher Räume! Für weniger Autos und mehr Bewegung auf den Straßen! Die Gefahrenprognosen der Polizei dürfen den öffentlichen Raum nicht beherrschen!
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Ihr seid Sterne!!
Assoziiert euch gegen das neue Versammlungsgesetz!
Kommt zur Demonstration am
Donnerstag, den 5. Juni 2008, 17 Uhr 30!
Bei der Gedächniskirche / Ecke Kantstraße.
Beginn: 18 Uhr pünktlich!!
Vor Ort gibt es auch Radios zum Ausleihen.
Bringt Freunde, Radios und Plastiktüten mit!!
Die Zukunft bleibt unbekannt!
Donnerstag, den 5. Juni 2008, 17 Uhr 30!
Bei der Gedächniskirche / Ecke Kantstraße.
Beginn: 18 Uhr pünktlich!!
Vor Ort gibt es auch Radios zum Ausleihen.
Bringt Freunde, Radios und Plastiktüten mit!!
Die Zukunft bleibt unbekannt!